Was haben terroristische Anschläge mit Suizidprävention zu tun?


Im November 2009 nahm sich der bekannte deutsche Fussballstar Robert Enke sein Leben. Viele können sich noch an die ergreifenden Worte seiner Witwe erinnern, mit welchen sie sich kurz nach seinem Tod an die Öffentlichkeit richtete. Es war ihr wichtig Verständnis für die schwere Erkrankung der Depression bei den Menschen hervorzurufen. Den Medien hingegen ging es weniger um Aufklärung über die Depression als um einen Sensationsjournalismus, der in grosser Ausführlichkeit über die Art und den Ort des Suizides von Robert Enke berichtete. Die Berichterstattung fand über Wochen hinweg in fast allen grossen Online- und Printmedien statt. Das Verhalten der Presse stand allerdings eindeutig im Gegensatz zu dem Pressekodex des deutschen Presserates nach Ziffer 8:

 "Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung. Dies gilt insbesondere für die Nennung von Namen, die Veröffentlichung von Fotos und die Schilderung näherer Begleitumstände."

  Die Folgen des damaligen Verhaltens der Presse war noch mehrere Jahre nach dem Tod von Robert Enke in den Statistiken zu Suiziden in Deutschland nachzulesen: Die Bahnsuizide hatten sich in den darauffolgenden zwei Jahren um 18,8% erhöht im Vergleich zu den Jahren vor Enkes Tod (Hegerl et al., 2013). In einer neueren Studie (Koburger et al, 2015) konnte dieser Effekt sogar in vier europäischen Ländern nachgewiesen werden. Der sogenannte "Werther-Effekt" kann also jahrelange Folgen im Bezug auf Nachahmungseffekte haben, welche erst durch intensive Berichterstattungen über Suizide entstehen können.  Die heutige mediale Berichterstattung über terroristische Selbstmordanschläge oder Amokläufe hält sich allerdings keineswegs an die Vorgaben des Pressekodex und an fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema Suizidprävention. Je detaillierter und ausführlicher über die Selbstmordanschläge und Amokläufe berichtet wird, umso mehr Nachahmer wird es in Zukunft geben. In Frankreich hat sich die Presse inzwischen darauf geeinigt keine Photos der Attentäter mehr zu veröffentlichen. Ein wichtiger Schritt, wenngleich nur ein kleiner erster Versuch die derzeitigen Möglichkeiten der sozialen Medien einzuschränken.  
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Maira Gall